Cordula Daus
Sich übergeben, ja wohin übergibt man sich, wenn man kotzt, dachte ich,
bevor mir der freie Fall den Gedanken zerriss, das zusammengepferchte Wir weiter fallen ließ, bis die Maschine auf einer Luftschicht wieder zum Tragen kam.
Und sich mir der Folgegedanke aufdrängte, ob nicht unsere Mägen,
unsere Zwerchfelle, in diesem Moment, auf gleiche Art und Weise, quasi
gleichgeschaltet, in den Sitzen äußere in innere Wirbel übersetzten. Das Flugzeug stieß jäh auf. María kotzte. Dann waren wir da.

Am Mittwoch wollte ich Bock anrufen, als ich herausfand. Dass er vor 13 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Und ich verfing mich in den Details. Des Sprechers der Pilotenvereinigung, der nicht ausschloss, dass die Fokker beim Anflug mit Gänsen. Des Ehrenvorsitzenden des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen.
Der 80 Kriminalbeamten, die in den Trümmern. Des Bundesverkehrsministers, der vor Spekulationen über die Unglücksursache während der Trauerfeier warnte. Und ich fragte mich, ob es eine Formel gab, die das Ausmaß von Trauer als Funktion der Zeit. Eine Formulierung, durch die man hindurch.
Eine y-Achse, die maximal so lang wie das eigene Leben, minimal so kurz wie ein Arm. An deren Ende sich eine Hand befand, die man einem Therapeuten, einem Juristen oder dem, der für eine Ursache zuständig war, reichen konnte. Solange das nicht reichte, fragte man nach Gründen.
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Jähe Tode, zähe Tode

text, 2016

From: Toponymisches Heft No. 3Seismolology, p. 91.

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